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Eröffnungsrede Constructing Memories, 2007, Galerie Geyling, Wien


Brigitte Konyens Fotoflechtbild spring, das in den Aussendungen und Plakaten für die Ausstellung ex sampling (Künstlerhaus Wien 2006) verwendet wurde, hat damals in mir eine ganz ungewohnte wahrnehmungsmäßige Irritation verursacht, in dem ein zu Erkennen glaubendes Zuordnen wie im Spiegelkabinett an die Wand stößt und gewohnt klare Abläufe in ungewohnte Wege gezwungen wurden. Vertrautes und Verunsicherndes hatten sich in diesem Bild zu einem neuen Phänomen verbunden, das ganz klar die Frage nach den Hintergründen des Wahrnehmens stellte.

Primär war es die Frage: „Was alles sehen wir mit, wenn wir sinnlich wahrnehmbare Erscheinungen sehen, welche Ebenen der Erfahrung, des Erlernten und damit verbunden ganz allgemein des Erinnerns treten in Kraft?" Das sind sehr grundlegende Fragen zur Wahrnehmung, die in diesem Werk eine einfache und überzeugende Verbildlichung gefunden hatten.

Was ist ein Bild, besonders wenn es sich mit dem Abbild von Realität auseinandersetzt, wie verändert es Realität oder wird selbst zu einer neuen Wirklichkeit, wie überlagert es die sinnliche Wahrnehmung, die selbst wieder aus derlei Konstrukten besteht und zu der das Bild sich selbst als ein neues Detail des sichtbaren Ganzen hinzugesellt - das sind auch die Fragen, die sich Brigitte Konyen seit langem stellt.

Was uns Konyen in der aktuellen Ausstellung constructing memories vorlegt, sind im Grunde alles Fotografien, verschiedene und gleiche, die im Vorgang des Flechtens zu Kunstmaterie verarbeitet werden.

Bilder, namentlich Fotos, sind am derzeitigen Stand unserer globalisierten Kultur allgegenwärtig. Bilder sind jederzeit verfügbar, sind in Echtzeit zu versenden und verflachen unsere Wahrnehmung durch Überreizung bis zur nur noch signalhaften Kenntnisnahme ihrer Botschaften. Und das obwohl erwiesenermaßen Bilder über eine Inhaltsdichte verfügen, die von keiner anderen Informationsform erreicht wird und die in großer Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit konsumiert werden könnte. Die Erinnerung wird nun in erster Linie über Bilder konstruiert und bewahrt. Wenn man das gerade Erwähnte hinzudenkt, entsteht daraus eine paradoxe Situation, mit der Konyen souverän umgeht und sie eigentlich zum Inhalt ihres konzeptuellen Ansatzes macht.

Am Anfang der Serie abstracts stehen Bilder, die Naturstrukturen thematisieren, verflochten mit Streifen von ebenfalls struktureller Malerei, ein Spiel zwischen Malerei und Foto, zwischen vorgeblicher Realität und vorgeblich reiner Invention, teilweise in einer dritten Ebene mit 

Texten überlegt.

Besonders gelungen erscheinen mir auch die Werke, in denen einzelne Fotos aus identen Abzügen ineinander verwoben wurden, weil sich in diesem reduktionellen Abstrahierungsvorgang das künstlerische Konzept klar zeigt und der Aspekt einer handwerklichen Verpixelung des Bildes nochmals das Misstrauen gegenüber der bloßen Mimesis verstärkt. Das Aufbrechen der glatten Fläche durch das Flechtmuster wird noch durch die unterschiedliche Breite der Fotostreifen verstärkt, wodurch sich an Stelle der Raumillusion der Eindruck von einer sich wellenden Oberfläche ergibt. Die bildliche Erinnerung wird in reinster Form als künstliches Konstrukt entlarvt.

In ihren jüngsten Arbeiten wendet Konyen eine etwas breitere erzählerische Form an, indem sie verschiedenste Erinnerungsfotos in ihre Geflechte aufnimmt, Größenverhältnisse und Farbverteilung kalkuliert und so in zweifacher Hinsicht eine Konstruktion – des Bildgefüges und der Erinnerung – vorlegt. Die neuen Arbeiten verfügen außerdem über so etwas wie einen Handlungsablauf oder eine Geschichte, keine festgelegte, sondern eine, die sich der BetrachterIn assoziativ und ganz subjektiv erschließt. Dadurch entsteht aus dem Verfassen einer subjektiven Erinnerungsgeschichte der Künstlerin eine subjektive Erinnerung für uns alle.

Dr. Berthold Ecker, 2007